Ganz nüchtern heißt es bei Wikipedia: „Google Glass ist der Markenname eines am Kopf getragenen Miniaturcomputers. Er ist auf einem Brillenrahmen montiert und blendet Informationen in das Sichtfeld ein (=Head-Up-Display). Diese Informationen können kombiniert werden mit dem aufgenommenen Bild, das eine in Blickrichtung des Trägers integrierte Digitalkamera live liefert. Dazu können Daten aus dem Internet unmittelbar bezogen und versendet werden.“

Ganz unnüchtern betrachtet, scheint mir Google Glass tatsächlich das nächste „big thing“ zu sein, das unser aller Alltag und damit auch unsere Lernprozesse und damit auch das E-Learning ähnlich umwälzen könnte, wie das Aufkommen der Smartphones. Warum?
Per Kopfnicken, Sprachsteuerung oder Touchpad am rechten Brillenbügel kann ich über einen kleinen Bildschirm Texte, Informationen, Bilder und Filme unmittelbar aus dem Netz abrufen. Gleichzeitig kann ich mit Google Glass selbst Bilder oder Filme produzieren oder andere Nutzer live an meinen Erlebnissen teilhaben lassen.
Laut Testpersonen ist das Display vergleichbar mit einem Monitor mit ca. 60 cm Bildschirmdiagonale, der sich in etwa zwei Metern Entfernung vor dem Auge befindet. Die Tester empfanden das Gestell und die Einblendung als nicht störend. Ähnlich einem Brillenträger, der ja die Umrandung der Gläser auch nicht bewusst wahrnimmt. Besonders bemerkenswert erscheint mir auch die Tonübertragung, die über den Schädelknochen erfolgt. Kopfhörer sind demnach überflüssig.

Um einen ersten Eindruck über die Features der Datenbrille zu erhalten, empfehle ich dieses How-to-Video von Google.
Doch wie könnte Google Glass das Lernen bereichern? Welche Anwendungen sind denkbar?
Lernen mit Google Glass:
- Teilhabe per Video: In einem beispielhaften Promotion-Video besucht ein Physiklehrer, der als Online-Dozent lehrt, das Forschungszentrum CERN in der Schweiz. Er trägt die Google Glass Brille und seine Studenten folgen ihm weltweit von ihren heimischen PCs aus. Gleichzeitig erläutert er die Dinge, die er während der Exkursion erklärt bekommt. Ohne aufwendige Kameraausrüstung kann der Dozent gleichzeitig auf ihre Fragen sofort reagieren und sie beispielsweise an den CERN-Mitarbeiter übermitteln. Als Lernender kann ich so grundsätzlich Situationen quasi durch die Augen einer Person erleben, die wesentlich mehr Erfahrung auf diesem Gebiet besitzt. Ich begleite den Experten und lerne synchron mit seinen oder ihren Handlungen.
- Museum: Als Museumsbesucher kann ich problemlos diverse Zusatzinformationen abrufen oder auch Fachleute kontaktieren. Gleichzeitig kann ich andere an meinem Lernerlebnis teilhaben lassen (s.o.).
- Hände frei: Ich führe eine Reparatur durch z.B. den Austausch eines Wasserhahns. Meine Google Glass Brille spielt mir synchron die korrekten Handgriffe ein. Ich habe beide Hände frei und kann gleichzeitig per Sprachsteuerung die entsprechenden Informationen abrufen. Gleichzeitig erkennt das Anwenderprogramm fehlerhaft ausgeführte Handgriffe. Das heißt: Ich bekomme „Just-in-time“-Informationen. Oder ein Experte begleitet meine Handgriffe und gibt mir entsprechende Rückmeldung.
- Vertrieb: Ich berate einen Kunden. Nachdem mir mein Kunde die Erlaubnis erteilt hat, nehme ich unser Gespräch auf. Fallen bestimmte Schlüsselwörter, bekomme ich über die Datenbrille bestimmte Zusatzinformationen eingespielt. Oder: Ich streame das Beratungsgespräch und werde dabei von einem Trainer begleitet und erhalte entsprechendes Feedback.
- Sprache: Immer wenn mir danach ist, spiele ich mir zum Üben Vokabeln auf meinen virtuellen Bildschirm. Gleichzeitig kann ich mir in Echtzeit Übersetzungen anzeigen oder formulieren lassen.
- Präsentation: Ohne großen Aufwand kann ich bei einer Präsentation zusätzliche Informationen aufrufen und dem Auditorium übermitteln.
- Demenz: Mit Hilfe von Gesichtserkennungs-Apps bekommen Demenzerkrankte Informationen über das Gegenüber eingespielt. Die Datenbrille kann in einem bestimmten Zeitfenster der Erkrankung als „Gedächtnisstütze“ fungieren.
- Sightseeing: Ich bewege mich durch eine unbekannte Gegend. Google Glass erkennt z.B. Bauwerke und spielt auf dem Display historische Informationen ein.
- …
Diese kurze und sicherlich unvollständige Liste zeigt bereits das enorme Potential der Datenbrille auf.
Meine Vermutung: Spätestens in fünf Jahren gehören die Datenbrillen zum Standard-Repertoire und haben den Smartphones den Rang abgelaufen. Und dabei ist Google Glass vermutlich nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu bio-mechanischen Computern wie z.B. Kontaktlinsendisplays…
Was denken Sie? Alles Science-Fiction? Oder besitzt Google Glass tatsächliches Potential als E-Learning Tool?
Hallo Herr Herrmann,
danke für diesen spannenden Artikel. Schön, dass es Leute wie Sie gibt, die die technischen Neuerungen auf Potenziale ableuchten, das ist klasse.
Nur so als Feedback: als sehr unpassend und störend empfinde ich die Anzeige direkt am Ende des Artikels, in der aktuell für ein Baller-Spiel geworben wird.
Nichtsdestotrotz bleibe ich dran an Ihrem Blog 🙂
Herzliche Grüße
Marit Alke